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Das Leibrentcngesctz enthält keine zwingende Beitritts- und
Zahlungspflicht, aber die Arbeiter werden zum freiwilligen Eintritt
als Mitglieder in die Leibrenten-Kasse dadurch bewegt, daß diese
keinen Selbsterwerb erstrebt, das; sie die fälligen Rentenzahlungen nie
einstellen, nie bankrott werden kann, denn sie steht unter staat
licher Garantie.* Dieses letzte Gesetz ist für die Arbeiter und für
die Armen-Verbände von großem Nutzen, denn cs veranlaßt viele höher
gelohnte industrielle Arbeiter und viele Dienstboten mit höherem Lohn
zum Eintritt in die Leibrentenkasse und verwandelt auf diesem Wege
der Selbhülfe eine große Zahl von Arbeitern, welche sonst im Alter
als Hülfsbedürftige den Armen-Verbändcn zur Last fallen würden, in
Renten-Empfänger, es vermindert also die Zahl der Hülfs-
bedür ftigen.**
In Belgien und Frankreich liegt den Gemeinde-Verbänden
die Verpflichtung zur Unterstützung ihrer Hülfsbedürftigen ob. Aber
als diese Unterstützung mit der Entwickelung ihrer Industrie, mit der
Zunahme ihrer Fabriken, ihrer Arbeiter und ihrer Hülfsbedürftigen
unzureichend wurde, da erfaßte Belgien zuerst den Gedanken des
englischen Leibrenten-Gesetzes: die Mehrzahl aller Hülfsbedürftigen.
nämlich die Altersschwachen, ans dem Wege der Selbsthülfe
mittels einer, vom Staat garantierten und verwalteten Ren
tenversicherung den Gemeinden abzunehmen. Es erließ zu
diesem Zweck im Jahre 1850 das „Gesetz über die Altervcrsorgungs-
kassc", und Frankreich folgte noch in demselben Jahre mit dem „Gesetz
über die Gründung einer Bersorgungs- und Lcibrenten-Kasse".***
Beide Gesetze verfolgen das Ziel: allen Arbeitern ohne Unter
schied des Lohnes die Erwerbung einer Rente für's Alter möglich
zu machen, indem sie mit Rücksicht auf die niedrigeren Lohustufen
als geringsten Beitrag 5 Franks — 4 Mark feststellen. Ebenso hat
die Ausfertigung kleiner Rentenbriefe von 24 Franks den Zweck, die
Arbeiter mit niedrigem Lohn zur Fortsetzung jener kleinen Einzah
lungen von 5 Franks anzuregen. Die Einzahlung wird von allen
Arbeitern, welche das 18. Lebensjahr vollendet haben, angenommen,
und die Renten werden in Belgien mit dem beginnenden 56., in
Frankreich schon mit dem 50. Jahre gezahlt.
Diese Gesetze enthalten jedoch keine Bestimmung, welche eine
jährlich fortgesetzte Zahlung des kleinsten Beitrages von 5 Franks
obligatorisch anordnet, lind dieser Mangel macht die Gesetze für die
Mehrzahl der niedrig gelohnten Arbeiter wirkungslos, denn wenn es
für diese Arbeiter auch nicht schwer sein mag, ein Jahr hindurch die
von ihrem Wvchenlohn gemachten Ersparnisse so lange bei Seite zu
legen, bis sie den niedrigsten Beitrag von 5 Franks zur Einzahlung
* Das Leben des Prinzen Albert, Prinz-Gemahls der Königin von England,
von PH. Martin. Uebersetzt von Lehmann, 3. Band, Leite 171—173.
** Es verdient noch heute jene klassische Rede die höchste Anerkennung, welche
der verewigte Gemahl Ihrer Majestät der Königin Viktoria, Prinz Al bcrt, am IO. Mai
1849 vor der Gesellschaft Servant’s Provident and Benevolent Society in London
zur Verbreitung des Verständnisses dieses Gesetzes gehalten hat. Sie ist
ihrem Inhalt nach'in dem Werk von Martin angegeben. (Vorige Anmerk.).
*** Mitteilungen des Central - Vereins fnr das Wohl der arbeitenden K lassen,
7. und 8. Lieferung 1850, von Dr. Glaser, Seite 124 und 128. Berlin bei Veit & Co.