32 Drittes Kapitel. Das Zeitalter der griechischen Kolonisation.
Drittes Kapitel.
Das Zeitalter der griechischen Kolonisation.
(Mitte 6. Jahrhunderts bis Ende 6. Jahrhunderts.)
Denn der ernährenden Erde Begrenzung geh' ich zu schauen.
Ilias.
Die griechischen Städte Kleinasiens, die sich unter dem Einflüsse
des Orients vom 8. Jahrhundert an stärker als jene Europas kommer
ziell und industriell entwickelten, gründeten auch früher als diese
Kolonien. Soweit diese nicht schon von Anfang an Industrie- und
Handelsstädte waren, entwickelten sie sich bald zu solchen. Von den
kleinasiatischen Städten, die sich der Kolonisation im größten Stil zu
wendeten, war Milet eine der ersten. Diese Stadt, die im 7. Jahr
hundert den Lydern zu widerstehen vermochte, welche die anderen
Städte Kleinasiens unterwarfen, war durch ihre Industrie und ihren
Handel, den sie mit dem kleinasiatischen Hinterlande und mit dem
Westen trieb, eine der reichsten und mächtigsten Städte der Welt,
„das Schatzstück Ioniens" (Herodot V, 28). Vom 8. Jahrhundert bis
zum 6. Jahrhundert besiedelten die Milesier die Küsten der Pro
pontis und des Schwarzen Meeres, wobei auch die übrigen Griechen
mitwirkten. Die Chalkidike sowie Thrazien mit seinen vorgelagerten
Inseln wurde ebenfalls bald von Griechen kolonisiert. Früh wurde
Thasos aufgesucht, das durch seine Goldproduktion die Phöniker in
den ältesten Zeiten angelockt haben soll. Die Kolonisation dieser
Gebiete machte nicht allzuviel Schwierigkeiten, wenn man auch
vielfach mit den eingeborenen Völkern kämpfen mußte. Das In
teresse dieser Völker an der Küste war meist doch gering, und über
dies waren sie nur selten in größeren Reichen vereinigt. Das Ge
biet des Schwarzen Meeres lieferte Lebensmittel aller Art, besonders
Getreide und Fische und trieb die Griechen an, vom Schatzhandel
zum Handel mit allen Gegenständen überzugehen. Sobald einmal
der Getreideimport größeren Umfang annahm, konnte sich die In
dustrie entfalten. Viele Kräfte wurden frei, die Arbeiter konnten
billig ernährt werden, und überdies benötigte man Exportartikel,
um mit diesen das Getreide zu bezahlen, auch brauchten die Griechen
in den Niederlassungen am Schwarzen Meere viele Jndustrieartikel
zum eigenen Gebrauch, die sie selbst nicht zu erzeugen vermochten.
Die industrielle Entwicklung des Mutterlandes wurde durch die
Kolonisation am Schwarzen Meer noch weiter gefördert, weil von