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Es ist unmöglich, diese Fragen hier ausführlich zu erörtern;
sie hängen so eng mit der Organisation der amtlichen Statistik
im Staate zusammen, dass ihre Lösung von der Entschliessung
über jene Organisationsfrage bedingt wird. Angesichts des
bestehenden Verwaltungsapparates wird indess kaum etwas
Anderes stattfinden können, als Folgendes:
1) Die Städte von über 10 000 Einwohnern haben die sie
betreffenden Listen selbst zu concentriren.
2) Die Landrathsämter haben die Listen der Städte unter
10 000 Einwohner, so wie der übrigen Wohnplätze ihres
Kreises in der vorgeschriebenen Form zusammenzustellen
und zu concentriren.
3) Die Regierungen empfangen die concentrirten Resultate
aus den Städten über 10 000 Einwohner und aus den
Kreisen und stellen dieselben zu Regierungsbezirks
resultaten zusammen.
4) Von den Regierungsbezirken gelangen die bis zu Be
zirksresultaten concentrirten Tabellen an das königliche
statistische Bureau, welches daraus die Provinzial- und
Landesresultate zusammenstellt.
Begreiflicherweise werden nur diejenigen Einträge vorher
erst zu Orts- und Kreisresultaten zu concentriren sein, welche
durch die vorgeschriebenen Schluss tabellen als solche benötbigt
werden. Manche der vorn genannten zu gewinnenden Re
sultate haben sogar einen grösseren Werth, je grösser die
Zahlen sind , welche ihre Basis bilden. Indessen stellt man
den Gesichtspunkt in den Vordergrund, dass Orts- und Kreis
statistiken für die unmittelbaren Zwecke der Verwaltung der
grösseren Städte wie der Kreise nie detaillirt genug sein
können, dass sie also neben einem allgemeinen auch einen ganz
specifischen Nutzen haben, so wird es nur dankbar zu begrüssen
sein, wenn in den Landrathsämtern von allen Tabellen die
Concentration zu Kreisresultaten vorausgeht. Unleugbar würden
solche Arbeiten den bereits anbefohlenen, von Zeit zu Zeit zu
erstattenden Kreisstatistiken als eine überaus werthvolle Unter
lage dienen können. Ausserdem werden sie dazu beitragen, in die
höchst anerkennenswerthen und sehr verdienstlichen statistischen
Leistungen so vieler Landräthe eine gewisse Uebereinstimmung
der Behandlung zu bringen. Eine Mehrarbeit entsteht aus der
durchgängig schon in der untersten Verwaltungsinstanz vor
genommenen Concentration eigentlich nicht. Denn die Arbeit
der Zusammentragung und Zusammenstellung der Einzel
resultate zu Gesammtresultaten bleibt nahezu dieselbe, ob sie
für die grösseren Städte bei den Magistraten , für die Kreise
bei den Landrathsämtern, oder für die Bezirke sofort aus den
Urlisten bei den Königlichen Regierungen vorgenommen wird.
Wohl aber wächst bei ersterem Verfahren die Richtigkeit,
weil die Localkenntniss dem Urtheile über die Einträge un-
gemein zu statten kömmt.
Bei wohlorganisirtem Arbeitspläne dürfte aber auch die
Schnelligkeit bedeutend wachsen, mit welcher die Arbeit ge
fördert wird. Tn der preussischen Monarchie giebt es 83 Städte
mit mehr als 10 000 Einwohnern und, einschliesslich 11 Stadt
kreise, 334 Kreise, ohne diese also 323. Nimmt man, weil
die grösseren Städte die Concentration für sich besorgen, nur
letzte Zahl, so vertheilt sich also die Arbeit auf 406 verschie
dene Organe; und im Durchschnitt hat sonach 1 Organ die
Statistik von circa 45 000 Bewohnern herzustellen.
5) Unter den angeführten Gründen spricht indess noch ein
anderer für die möglichste Concentrirung in der untersten Instanz,
dieser aber führt sofort zu der Frage der Aufbewah
rung der Urlisten, welche, wenn sie richtig entschieden
wird, zugleich einem oft besprochenen Wunsche Erfüllung
bringt.
Es wird nämlich mit allem Rechte darauf ein Gewicht ge
legt, dass in jeder Gemeinde sogenannte Gemeindebücher
gehalten werden möchten, in welchen nicht blos die Nachweise über
das Gemeindevermögen, sondern auch die Nachweise über die
Bewohner der Gemeinde und ihre persönlichen Verhältnisse, ihr
Kommen in die Gemeinde, ihr Bleiben in derselben und ihr
Gehen aus derselben zu finden seien. Man hat dergleichen
Gemeindebücher in vielen deutschen, vorzugsweise aber süddeut
schen Ländern. Wodurch könnte nun aber eine bessere Unterlage
dafür beschafft werden, als durch die Haushaltungs-, Haus
und Ortslisten der einzelnen Gemeinden? Sind sie nicht das
leibhafte Inventarium der Angehörigen jeder Familie, der Be
wohner jedes Hauses, der Gebäude und ihrer Wandelungen
jedes Orts? Und da mit den Haushaltlisten gewerbliche
Fragen zu verbinden sind, so sind sie gleichzeitig ein treuer
Spiegel nicht blos der Art, sondern auch des Umfangs der
Beschäftigung; die Hauslisten, die einige landwirthschaftliche
Fragen enthalten sollen, geben Auskunft über Ackerbau und
Viehzucht jedes Gemeindemitgliedes, und die Ortslisten lassen
erkennen, was die Gemeinde durch Wegzüge verloren, durch
Zuzüge gewonnen hat. Dazu kommt, dass in der Verwerthung
der Urlisten zu Gemeindebüchern jeder Bewohner der Ge
meinde eine Veranlassung erhält und sicher auch empfinden
wird, seine in dieselben niederzuschreibenden Angaben mit
Sorgfalt und Wahrheitsliebe zu bewirken. Also werden da
durch zwei Zwecke auf einmal gefördert: die Ortsstatistik und
die Landesstatistik. Das bedarf wohl nur der Andeutung, dass
die wohl aufbewahrten Urlisten zugleich das beste Mittel der
Controle für folgende Zählungen darbieten.
6) Wenn schliesslich noch die Kosten zu erwähnen sind,
welche die in vorliegender Denkschrift bevorwortete Umgestaltung
der Volkszählungen in Anspruch nehmen kann, so dürfte sichs
eigentlich hier nur um die Mehrkosten gegen das bisherige
Verfahren handeln. Leider sind die letzteren nicht genau fest
zustellen , weil dem statistischen Biireau die gesammten Kosten
einer Volkszählung in Preussen überhaupt nicht bekannt sind.
Das statistische Büreau giebt für Herstellung der Formulare
zu den Concentrationstabellen 3000 Thlr. aus. Darin sind aber
die Urlisten (die doch Hauslisten sind und in grösseren Orten
sogar als Haushaltungslisten verwendet werden) keineswegs
inbegriffen. Ebensowenig sind darin die Hilfslisten begriffen,
welche für Aufzeichnung des Viehstandes und der Gewerbe
verhältnisse in Anwendung kommen müssen.* Alle diese Listen
sind ziemlich kostspielig. Wird mit Hilfe von Haushaltungs-,
Haus- und Ortslisten gezählt, so sind die Kosten für die Listen
selbst etwa wie folgt zu veranschlagen :
Es giebt in Preussen nach der Zählung vom 3. Decem
ber 1858:
3.691 725 Familien,
2.069 925 Privatwohngebäude und
82 897 Wohnplätze.
Demnach möchten, wenn man die Zahl der Familien
für die Zahl der Haushaltungslisten, die der Privatwohngebäude
für die Zahl der Hauslisten und die der Wohnplätze für die
Zahl der Ortslisten zum Anhaltepunkt nimmt, für die nächste
Zählung, unter Berücksichtigung des Zuwachses und 10 Prozent
Zuschlags für unbrauchbar gewordene Listen, erforderlich sein :
4.000 000 Haushaltungslisten,
2.300 000 Hauslisten,
100 000 Ortslisten.
In Summa 6.400 000 Listen.
Sie repräsentiren eben soviel Bogen einfachen Formats
und entsprechen einem Quantum von circa 13 400 Ries =
1 340 Ballen. Jedenfalls ist das Papier des wohlfeileren Drucks
wegen aber als Doppelformat anzuschaffen, in Folge dessen
die 1 340 einfachen 670 Doppelballen werden. Es ist unnöthig,
die Doppelballen schwerer als zu 180 Pfund und das Pfund
theuerer als zu 3 Silbergroschen zu nehmen. Es kosten als
dann die benöthigten 120 600 Pfund 12 060 Thlr.
Was die Druckpreise anlangt, so werden bei angemessener
Concurrenz pro 100 000 Bogen einfachen Formats in Schön-
und Wiederdruck 75, höchstens 80 Thaler, dafür zu bewilli
gen sein. Die Satz- und Druckkosten stellen sich sonach auf
5 120 Thaler. Also Papier, Satz und Druck werden eine
Ausgabe von circa 18 000 Thalern erfordern. Das ist bei
18 Millionen Bewohnern für jeden Bewohner eine Ausgabe
von A— Thlr. oder circa % Pfennig.
Es ist nicht wohl anzunehmen, dass die gegenwärtigen
Kosten für die Urlisten und sonstigen Formulare erheblich
niedriger seien. — Die Kosten der Zusammenstellung etc. sind
es sicher nicht, wenn die Concentration nach einem fest be
stimmten Plane systematisch, und mit allen Hülfsmitteln der
Arbeitstheilung, vorgenommen wird.
Gesetzt aber auch, es entstände eine geringe Mehrausgabe;
wird sie nicht reichlich durch die Vortheile einer genaueren
Zählung compensirt? Im Königreich Sachsen wurde consta-
tirt, dass, als im Jahre 1832 die individuelle Zählung durch
Hauslisten eingeführt wurde, der Zuwachs der Bevölkerung,
der sonst circa 45 000 Einwohner pro Triennium betrug, auf
einmal auf 156 000 Einwohner stieg. Von da bewegte er sich
in den 50—60 000 pro Triennium bis zum Jahre 1852, in
welchem die Haushaltungslisten eingeführt wurden; in diesem
Jahre wurde ein Zuwachs von 93 181 auf das vorangegangene
Triennium ermittelt. Im nächsten Triennium sank er aber
wieder auf 51 564, ein sicherer Beweis also dafür, dass der ver
besserten Methode der Zählung ein guter Theil des Zuwachses
zu verdanken war. Könnte man, nicht den Zuwachs, sondern die
Mehrzählung etwa auf \ Procent in Preussen veranschlagen, so
würde das bei 18 Millionen Einwohnern eine Mehrermittelung
von 90 000 Bewohnern bedeuten, die bei den bisherigen
Zählungen lediglich der Methode wegen ungezählt blieben und
demzufolge auch der auf ihre Zahl entfallende Antheil an den
Zollvereinsrevenuen dem Staat verloren ging. Da nun aber