1Ì2 Sechstes Kapitel. Die Entwicklung der römischen Weltwirtschaft.
juristischer Konstruktion. Zu den tatsächlichen Leistungen von ein
zelnen an die Gesamtheit gehörten Bauten, Spiele, Spenden,
Straßenanlagen (Plutarch, Cäsar 5) und vieles andere, und zwar
nicht nur in Rom, sondern vielfach auch in den Provinzen. Von
einem Zwange des Staates war dabei nicht die Rede, sondern
von einem der allgemeinen Meinung. Vielfach lag auch reine Be
rechnung zugrunde, der einzelne wollte so eben das Volk politisch
gewinnen. Während die Ädilen ursprünglich nur die Aufsicht bei
den Spielen führten, veranstalteten sie später dieselben immer mehr
aus eigenen Mitteln und hielten sich dann in den Provinzen schad
los. Daß unter diesen Umständen gegen das Ende der Republik
die meisten Politiker von Ruf zeitweilig verschuldet waren, kann
uns nicht wundern (Cäsar, Bürgerkrieg 1,4). Auch die Getreide
spenden waren in steigendem Maße ein Agitationsmittel geworden
(S. 106). Es kam vor, daß ein römischer Beamter die Bereitwillig
keit einer Provinz, ihm gefällig zu sein, dazu verwendete, Rom
aus dieser Provinz mit billigem Getreide zu versorgen (Plutarch,
Wo b. g. 8).
Eine wichtige Einnahmsquelle für den Staat bildete die
Verpachtung von Staatsländereien, Weideland, Wäldern, wes
wegen auch vorsichtige Politiker sich gegen die Verringerung dieser
Bestände erklärten (Cicero, An Attikus II, 18). Auch die Salz-
und Pechgewinnung wurde vielfach verpachtet (Dionys v. Hali
karnaß XX, 6). Ebenso brachten die Bergwerke viel ein. Aber
nicht nur die Ausnutzung der Immobilien wurde verpachtet,
sondern, wie wir schon oben sahen, auch die staatlicher Rechte.
Die Gelder, welche in die Staatskasse aus den Steuern der Pro
vinzen und den Zöllen flössen, waren überaus groß. Da in den
Zeiten der Republik die Provinzen den Beamten und Steuer
pächtern von Jahrzehnt zu Jahrzehnt mehr ausgeliefert wurden,
war das Pachten der Steuern ein sehr rentables Geschäft und
daher eine hohe Pachtsumme durch den Staat nicht schwer zu
erzielen. Da die Provinzialen unter solchen Umständen oft in
schwere Geldverlegenheit kamen, mußten sie sich an Geldleute um
Hilfe wenden. Diese waren selbst wieder Römer, die in großer
Zahl Handels- und Geldgeschäfte in den Provinzen trieben (Plu
tarch, Kato d. I. 61). Vielfach bildeten sie Konsortien, die syste
matisch Geld erpreßten. Die vornehmen Römer, die sich häufig
nicht selbst mit schmutzigen Geldgeschäften abgeben wollten, waren
durch Strohmänner in denselben vertreten und liehen ihre oder