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daß die Rasse von gesunden und stattlichen Männern und Frauen
fortgepflanzt wird. Die Anwendung der Lehre von der natürlichen
Auslese durch Vernichtung ist abgetan, wohl aber kann der Staat
die sexuelle Auswahl durch Pflege des guten Geschmacks wieder zu
Ehren bringen. Viel weniger Schwierigkeit als das Vermählen der
Geschlechter, das der Staat nur mittelbar beeinflußen kann, bietet
jedoch ein anderes Gebiet der Rassenveredelung. Die hier von mir
entwickelten Prinzipien fordern für Männer, Frauen und Kinder
wegen des physiologischen Unterschiedes der Geschlechter und der
Altersstufen besondere Gesetze, namentlich auf dem Gebiet der
Fabrikgesetzgebung. Aber hiermit erschöpfen sich unsere Aufgaben
nicht, sie reichen weiter. Denn sollten z. B. wirtschaftliche Vorgänge
das Individuum irgendwie an der Ausübung seiner Freiheit, woran
der Staat interessiert ist, hindern, so müßte er diesen Erschei
nungen prima facie seine Aufmerksamkeit widmen 1 . Tagtäglich
stoßen wir auf derartige Fälle. Da ringen antagonistische Interessen
miteinander und suchen sich zu vernichten. Eine Person oder mehrere
Personen oder Klassen mögen hierbei schließlich gewinnen, aber es
mangelt an einem kompetenten oder verständnisvollen Richter, der
zu urteilen hätte, ob der Vorteil dem Ganzen oder nur einem Teile
gehöre, ob er am Ende gut oder böse wirke. Ein Individuum opfert
das andere seinen Zwecken. Es hat bessere Muskeln, ist mit über
legenen Waffen ausgerüstet oder genießt wirtschaftliche Vorrechte
oder das Glück zeigt sich ihm geneigter, aber niemand entscheidet,
ob nun der Ausgang wirklich mehr des Guten oder des Bösen bringen
wird. Die eine Klasse beraubt die andere. Die Möglichkeiten hierzu
sind im Fortschritt der geschichtlichen Entwicklung entstanden, sie
sind vielleicht in der Eigentumsverfassung begründet. Aber kein
Aufseher, der das Ganze überwacht, ist vorhanden, uns über das
Ergebnis zu unterrichten, an unser Ohr dringt darüber keine Kunde.
Der Arbeiter wiederum steht zum Kapitale nicht ausschließlich in
einem Dienstverhältnis, er ist auch sein Teilhaber. Er hat fast ein
ebenso lebendiges Interesse an der vernünftigen Leitung der Fabrik,
1 Wie weit dieses Prinzip im konkreten Fall angewandt werden kann, ist eine
Zweckmäßigkeitsfrage. Grundsätze bewähren sich nicht daraufhin, daß sie
logisch fehlerfrei sind. Indes ist ihre Verkündigung praktisch äußerst wertvoll,
da das Bekennen zum Sollen in der Regel zum Aufspüren der Mittel der Ver
wirklichung antreibt und sie so auch findet.