Object: Statistik und Verwaltung mit besonderer Berücksichtigung der preussischen Verwaltungsreform

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nicht auch wissenschaftlich, d. h. nach den Prinzipien der Wahr 
heit, die für den Staat allein die Statistik vermittelt, verwaltet 
werden? 
Die Verwaltung würde sich damit der Wissenschaftskontrolle 
des Staates unterwerfen. Es wäre dies ein eminenter Faktor in 
der Kulturerkenntnis und im Kulturfortschritt der Menschheit. 
Die Verwaltung würde nunmehr statistischer werden, wie sie im 
19. Jahrhundert juristischer geworden ist. Weshalb sollte sich aber 
auch der Staat nicht der allgemeinen Wissenschaft der Statistik 
unterwerfen, wie er es als Fiskus, d. i. als Subjekt privater Rechts 
verhältnisse gegenüber dem jus tut? 1 ) Dadurch würde durchaus 
noch nicht die vorerst natürlich noch utopische Leitung des Staates 
durch die Wissenschaft, wie sie die griechische Philosophie er 
strebte, realisiert werden. Die Statistik müßte also die Stellung im 
Staate erlangen, die die Justiz bereits zum Teil erlangt hat, indem 
an Stelle der Rechtsnormen und Interpretation der Gesetze das 
Finden und Erklären der Gesetzmäßigkeiten, der großen Regeln 
des Staats- und Gesellschaftslebens tritt. Damit würde dann auch 
der Einfluß der Wissenschaft auf das Leben gebührende Berück 
sichtigung finden und eine neue Blütezeit der Wissenschaft heran 
brechen 2 ), so daß dann der Staat durch die Statistik gewissermaßen 
zu einem Wissenschaftsinstitut der Menschheit würde. 
Unabhängigkeit ist ein Kriterium der wissenschaftlichen 
Statistik. Wenn die Statistik zu eng liiert ist mit der Verwaltung 
— eine neuere Auffassung 3 4 ) will sie sogar als »Spezialgebiet der 
Verwaltung«, als »ein Fachgebiet der Verwaltung ohne irgend 
welche Besonderheiten« angesehen wissen — dann liegt die Gefahr 
der Unterordnung unter die jeweiligen Zwecke und damit der 
Unlogik vor. Denn die praktische Politik hat, wie einst von 
Holtzendorff sehr richtig sagte 1 ), »keine Verpflichtung zur 
logischen Konsequenz«. Beruht doch alle Politik zumeist auf ge 
fühlsmäßigem Handeln, sowie auf einer kühnen Kombination freier 
Willensentschlüsse, die bestimmt sind durch die Gegebenheit der je 
’) Vgl. Fleiner, »Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts«. Tübingen 
1911, S. 45. 
2 ) Vgl. J. Harnack, Geschichte der Kgl. Preußischen Akademie der Wissen 
schaften zu Berlin. Berlin 1910. 
3 ) Vgl. Günther: »Geschichte der älteren bayrischen Statistik«. Berliner Habili 
tationsschrift, abgedruckt als Heft 77 der Beiträge zur Statistik des Kgr. Bayern. 
München 1910, S. 117. 
4 ) v. Holtzendorff, die Prinzipien der Politik, Einleitung in die staatswissen- 
schaftliche Betrachtung der Gegenwart, 2. Aufl. Berlin 1879, S. 105.
	        
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