Full text: Die Berliner Arbeiterbewegung von 1890 bis 1905

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ablegen, aber als Richter so gut und nicht selten sogar besser als wie die 
Richter aus irgendeiner anderen Gesellschaftsklasse erkennen, was unter den 
gegebenen Verhältnissen im Rechtsstreit zwischen Unternehmer und Arbeiter 
sachlich recht und unrecht ist. Kaum irgendwo in Deutschland begegneten 
die Gewerbegerichte in der ersten Zeit ihres Bestehens stärkerer Gegnerschaft 
in Anternehmerkreisen als gerade in Berlin. Lier saß die Zentralstelle der 
Anternehmerverbände, die in den ersten Jahren mit aller Macht dafür 
agitierte, die Gewerbegerichte durch Ausdehnung des Rechts der Berufung 
gegen ihre Erkenntnisse an die ordentlichen Gerichte unter Vormundschaft von 
Berufsrichtern zu stellen, wenn nicht ganz zu neutralisieren. Es vergingen aber 
keine zehn Jahre, da erklärte am 8. März 1901 im Bürgersaale des Berliner 
Rathauses eine Versammlung von Beisitzern des Gewerbegerichts Berlin aus 
beiden Gruppen, Anternehmerbeisitzer und Arbeiterbeisitzer, und die ersteren 
keineswegs nur von Sozialisten gewählte Unternehmer, in einer Resolution, 
daß sie in der damals beabsichtigten Angstederung der zu schaffenden Kauf 
mannsgerichte an die Amtsgerichte „eine ernste Gefahr für die Interessen derBe- 
teiligten" erblicke, und sprach sich „mit aller Entschiedenheit" für den Anschluß 
der Kaufmannsgerichte an die Gewerbegerichte aus. Ebenso stimmte das Arteil 
bürgerlicher Gewerbegerichtsbeisitzer an den anderen Orten mit dem der 
Arbeiterbeisitzer überein; im Reichstag traten Redner der Freisinnigen und 
der Zentrumspartei den Sozialisten in der Betonung der Vorzüge der 
Gewerbegerichte bei, gleichlautend ertönte es aus den Reihen der Wissen 
schaftler, und so ließ man schließlich auch in Regierungskreisen die Idee 
der Überlieferung der Kaufmannsgerichte an die Amtsgerichte fallen und 
gab den ersteren eine Gestalt, die sie den Gewerbegerichten annäherte, sowie 
Paragraphen, welche wenigstens eine Verbindung beider ermöglichten. 
War für die Entscheidung der bürgerlichen Gesetzgeber die allgemein 
gemachte Erfahrung maßgebend, in bezug auf die ja Berlin hätte eine Aus 
nahme bilden können, so liegen bezüglich dieses letzteren sehr bestimmt 
lautende Äußerungen des langjährigen Vorsitzenden des Berliner Gewerbe 
gerichts, M. ».Schulz, vor, in denen dieser die richterlichen Eigenschaften 
der Beisitzer aus der Arbeiterschaft rückhaltlos anerkennt. So heißt es in 
einer aus dem Jahre 1900 datierenden Abhandlung des Genannten über 
gewerbliche Schiedsverträge: 
„Es kommt hier zum Ausdruck dasselbe Mißtrauen gegen Angestellte 
als Schiedsrichter, welchem wir bei ihren Vernehmungen als Zeugen so oft 
begegnen. Schon wenn sie als Zeugen vorgeschlagen werden, hört man 
häufig: „Die arbeiten ja bei dem Kläger oder dem Beklagten; die nehmen 
wir nicht an; was die sagen, das gilt nicht; die schwören falsch." Diese 
Bedenken gegen die Wahrheitsliebe der Arbeitnehmer sind ebenso ungerecht, 
wie die absprechenden Arteile gegen die Qualifikation zum Schiedsrichteramt. 
Die Erfahrung bei den Gewerbegerichten lehrt, daß die Arbeitnehmerbeisitzer 
wohl ohne Ausnahme — selbst wenn Prozeßsachen ihrer Arbeitgeber zur 
Verhandlung stehen — durch ihre Arbeitnehmerposition sich nicht beirren 
lassen. Wie wir bereits anderwärts oftmals bemerkt haben, lassen auch die 
Arbeitnehmerbeisitzer bei den zu fällenden Arkeilen, so gut wie es eben 
Menschen vermögen, auf sich die Klassengegensätze einwirken. Sie 
stehen in dieser Beziehung den ordentlichen Richtern nicht nach, welche 
gleichfalls bei ihrer Tätigkeit unter den Einfluß ihrer gesellschaftlichen An-
	        
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